Kritik üben, ohne zu kritisieren! Geht das überhaupt?
 
Liebe Leserin, lieber Leser,

in der aktuellen Personalsituation sind die meisten Pflegedienste froh, überhaupt Personal zu finden. Wenn dann das Team einigermaßen verlässlich steht, werden viele Mitarbeitende wie rohe Eier behandelt.

Bloß nichts Falsches sagen, damit nicht der nächste Krankenschein oder sogar die Kündigung ins Haus flattert.

Erfahren Sie im heutigen Führungsimpuls, wie Sie Kritik üben können, die dankbar angenommen wird und zu einer Verhaltensänderung führt.
   
 
 
 
   
Audio-Datei
   
 
 
 
   
Urban
   
   
Annett Urban,
Chefredakteurin „pdl.konkret ambulant“, fragt für Sie:
   
   
   
 
Hallo, liebe Claudia,

natürlich weiß jede PDL, dass gerade jüngere Mitarbeiter mehr Aufmerksamkeit und auch Feedback benötigen.

Doch nun habe ich schon ganz häufig davon gehört, dass gerade junge Pflegefachkräfte sich einfach krankmelden oder das Arbeitsverhältnis kündigen, sobald sie kritisiert wurden.

Doch ein Feedback kann doch nicht nur aus Lob bestehen. Was meinst Du?

Daher nun auch meine Frage an Dich: Wie kann eine PDL einen Kritikpunkt in einem Feedbackgespräch so verpacken, dass die junge Pflegefachkraft gar nicht mitbekommt, dass es sich um eine Kritik handelt?

Ich bin gespannt, mit herzlichen Grüßen aus der PDL Redaktion, Deine Annett
 
 
 
 
 
 
   
Urban
   
   
Claudia Henrichs,
Kommunikationsexpertin für die Pflege, antwortet:
   
   
   
 
Ermutigen statt kritisieren
 
Liebe Annett, liebe Leserin, lieber Leser,

meine kurze Antwort auf Deine Frage, liebe Annett lautet: gar nicht! Ein Kritikpunkt kann nicht so verpackt werden, ohne dass die Pflegekraft mitbekommt, dass es sich um eine Kritik handelt. Immerhin soll ja durch die Kritik erreicht werden, dass sich Verhalten verändert. Vielleicht geht mein Tipp „Ermutigen statt kritisieren“ in die Richtung, die Du Dir vorstellst.
 
Den Boden für Rückmeldungen bereiten
 
Ob Kritik als hilfreich oder verletzend empfunden wird hängt unter anderem davon ab, wie die Kommunikation generell zwischen Führungskraft und Team bzw. einzelnen Mitarbeitenden gestaltet wird.

Die Engagement Studie des Markt- und Wirtschaftsunternehmens Gallup hat herausgefunden, dass Mitarbeitende, die
das Gefühl haben, ihre Leitung interessiert sich für sie als Mensch
nach ihrer Meinung gefragt werden und
Anerkennung für gute Arbeit bekommen

sich extrem stark an das Unternehmen gebunden fühlen und sich gerne mit Herz, Hand und Verstand für ihren Pflegedienst einsetzten.

Regelmäßige kurze Gespräche mit jedem Mitarbeitenden bereitet also den Boden für eine stabile Vertrauenskultur.

Regelmäßig bedeutet mindestens einmal im Quartal für 15 Minuten.

Das sind die Themen:
 
1. Was war in den letzten drei Monaten Dein wichtigstes Erlebnis im Job?
2. Was würdest Du, wenn Du PDL wärst, verändern?
3. Das ist mir bei Dir besonders positiv aufgefallen!

Nicht mehr und nicht weniger!

Und wenn Sie jetzt denken, dass für diese Gespräche die Zeit fehlt, dann machen Sie sich bitte bewusst, dass Ihre wichtigste Arbeit als Führungskraft darin besteht, mit Ihren Mitarbeitenden Gespräche zu führen.

Befähigen Sie Ihre stellvertretende PDL dazu, Dienst- und Tourenpläne zu schreiben, Soll-Ist-Vergleiche anzustellen und Pflegeverträge auszufertigen. Ihre Hauptaufgabe als PDL ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen alle Ihre Mitarbeitenden ihr volles Potenzial zur Verfügung stellen.

Wenn Sie diese Gespräche regelmäßig führen, dann stärken Sie die Verbundenheit zueinander und Kritik kann dann auch leichter angenommen werden.

Ermutigen statt kritisieren

Wenn Ihnen ein Verhalten auffällt, dass Ihnen nicht gefällt, dann gehen Sie auf die Suche nach Situationen, in denen das Verhalten nicht oder weniger auftritt. Sie müssen ja nicht gleich die „großen Keule“ schwingen.

Zwei Beispiele:

Erstes Beispiel

Sie bekommen die Rückmeldung, dass die Einsatzkraft öfter mehr Leistungen erbringt, als im Vertrag vereinbart.

Sie können jetzt in einem kurzen Gespräch nach der Tour oder dem Soll-Ist-Vergleich, alle Einsätze positiv hervorheben, in denen die Mitarbeiterin die Leistungen vertragsgemäß erbracht hat.

Zweites Beispiel

Sie haben erlebt, dass die Mitarbeiterin öfter im Gespräch mit Kolleginnen laut und unhöflich reagiert.

Sie haben jetzt die Möglichkeit, in kurzen Mini-Gesprächen eine Rückmeldung zu Situationen zu geben, in denen Ihnen aufgefallen ist, dass die Mitarbeiterin freundlich und ruhig mit Kolleginnen gesprochen hat.

Sinn dieser Rückmeldungen ist, das Positive zu verstärken und darauf zu vertrauen, dass sich das negative Verhalten dadurch hinausschleicht.

Konstruktiv kritisieren

In der vorher genannten Gallup-Studie sagen 75% aller Mitarbeitenden, die sich an ihr Unternehmen gebunden fühlen, dass sie konstruktive Kritik erhalten.

Es scheint also nicht an der Kritik an sich zu liegen, dass eine Krankmeldung oder Kündigung kommt, sondern eher an der Art und Weise, wie das Kritikgespräch geführt wird.

Drei wichtige Punkte für ein konstruktives Kritikgespräch
 
1. Beginnen Sie mit Wertschätzung und sagen Sie, was Sie an der Mitarbeiterin schätzen.
2. Schildern Sie die Situationen, in denen Ihnen das Verhalten negativ aufgefallen ist, sachlich, mit belastbaren Fakten.
Statt „Immer redest Du laut und unfreundlich!“ Besser: Letzte Woche im Gespräch mit Maria auf dem Flur habe ich gehört, dass Du sehr laut gesprochen hast und sie gar nicht zu Wort gekommen ist.“
3. Stellen Sie erkundende Fragen.
Zum Beispiel:
„Was war der Grund?“
„Was ist vorgefallen?“
„Aus welchem Grund hast Du so entschieden?“

Oft erhalten Sie durch dieses Vorgehen noch mehr Informationen, um die Situation zu verstehen und Sie können gemeinsam besprechen, wie sich die Mitarbeiterin in ähnlichen Situationen verhalten sollte.

Drei weitere wichtige Punkte für ein Kritikgespräch finden Sie in der Folge „Wie Sie mit der 3W-Regel jedes Kritikgespräch schnell vorbereiten können“.

Ich hoffe, auch mein heutiger Führungsimpuls hat Ihnen gefallen. Schreiben Sie mir gerne, welche Erfahrungen Sie bei der Umsetzung gemacht haben. Haben Sie konkrete Führungsthemen, die ich in einer der nächsten Folgen für Sie aufbereiten soll? Sehr gerne! Schreiben Sie mir unter fuehrungsimpulse@ppm-online.org. Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße,
Ihre Claudia Henrichs

PS: Sie haben unsere ersten Folgen verpasst? Kein Problem auf www.pdl-konkret.de/Fuehrungsimpulse finden Sie alle bislang erschienenen Folgen von „Führungsimpulse“ zum Nachlesen und Nachhören.

PPS: Dieses Zitat zum heutigen Thema habe ich für Sie mitgebracht:
 
 
 
Zitat
„Kritiker haben wir genug. Was unsere Zeit braucht, sind Menschen, die ermutigen. “

Konrad Adenauer