Kritikgespräche: Entdecken Sie die Kraft der Ich-Botschaften
 
Liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie schon einmal erlebt, dass Missverständnisse oder Demotivation entstehen, weil Worte falsch verstanden oder als Angriff empfunden werden? Die Kunst der Kommunikation liegt darin, seine Gedanken so auszudrücken, dass sie beim Gegenüber ankommen, ohne zu verletzen.

Sie erfahren heute, wie Sie durch den gezielten Einsatz von Ich-Botschaften Ihre Bedürfnisse klar ausdrücken und mit wenigen Worten große Wirkung erzielen.

Annett Urban hat zu unserem heutigen Thema „Die Kraft der Ich-Botschaften im Kritikgespräch“ diese Frage mitgebracht ...
   
 
 
 
   
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Urban
   
   
Annett Urban,
Chefredakteurin „pdl.konkret ambulant“, fragt für Sie:
   
   
   
 
Hallo liebe Claudia,

ich bin es, Annett von „PDL.konkret ambulant“.

Als Kommunikationsprofi weißt Du natürlich, dass es bestimmte Worte gibt, die wir im Leitungsalltag besser sparsam verwenden sollten. Dazu gehören zum Beispiel „aber“ und „immer“.

In einem Deiner großartigen Seminare hast Du auch erwähnt, dass man gerade in Kritikgesprächen die Worte „Du“ und „Ich“ gezielt und mit Bedacht einsetzen sollte. Leider ist mir das noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, und so sind mir Deine hilfreichen Tipps dazu aus dem Kopf gefallen.

Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Du unser Wissen — mein eigenes und das der PDL´s – noch einmal auffrischen könntest. Könntest Du uns die guten Gründe und die richtige Anwendung von „Ich“- und „Du“-Botschaften in Kritikgesprächen noch einmal näherbringen?

Denn nach dem Seminar habe ich Deine Ratschläge befolgt und erinnere mich noch gut daran, wie sie mir im Arbeitsalltag, aber auch privat, sehr geholfen haben.

Vielen lieben Dank, Claudia, ich freue mich schon auf Deinen wertvollen Führungstipp!

Herzliche Grüße,
Deine Annett aus der PDL-Redaktion
 
 
 
 
 
 
   
Urban
   
   
Claudia Henrichs,
Kommunikationsexpertin für die Pflege, antwortet:
   
   
   
 
Liebe Annett,

das mache ich sehr gerne.

Schauen wir uns zuerst einmal an, was man unter Du-Botschaften versteht.
 
Was sind Du-Botschaften?
 
Du-Botschaften sprechen direkt die andere Person an. Oft klingen sie vorwurfsvoll und kritisch. Das kann dazu führen, dass sich die angesprochene Person angegriffen fühlt.

Beispiele für Du-Botschaften:
Du hast mich nicht rechtzeitig informiert!
Immer musst Du alles weitertratschen!
Warum kannst Du nicht mal nachdenken, bevor Du etwas sagst?!
Das hast Du nicht richtig verstanden!
Du brauchst für die Tour immer viel länger als alle anderen!

Aus allen Aussagen hört man schon das Ausrufungszeichen hinter dem Satz, oder? Welche dieser Sätze gehören so oder so ähnlich zu Ihrem Sprachgebrauch?

Du-Botschaften wirken oft so, dass die Mitarbeiterin sich angegriffen fühlt und als ob ihr die Schuld zugeschoben wird. Sie stellen das Fehlverhalten der anderen heraus und wirken wie ein ausgestreckter Zeigefinger.

Auch wenn Ihre Aussage inhaltlich stimmt, führen Du-Botschaften oft zu einer Verteidigungshaltung, Demotivation oder Resignation. Wenn Sie als Leitungskraft wollen, dass sich das Verhalten Ihrer Mitarbeiterin ändert, helfen Du-Botschaften nicht weiter.

Die Alternative sind Ich-Botschaften.
 
   

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Was sind Ich-Botschaften?
 
Ich-Botschaften sind Aussagen, die von den eigenen Gefühlen und Gedanken sprechen. Sie helfen dabei, klar und offen zu kommunizieren. Das Besondere an Ich-Botschaften ist, dass sie keine Vorwürfe machen. Stattdessen beschreiben sie die eigene Perspektive.

Beispiele für Ich-Botschaften:
„Ich fühle mich gestresst, wenn ich nicht rechtzeitig informiert werde.“ Statt „Du hast mich nicht rechtzeitig informiert!“
„Ich habe mitbekommen, dass Informationen, die eigentlich vertraulich sind, im Team kursieren. Das macht mich sehr unsicher. Ich habe das Gefühl, dass unser gegenseitiges Vertrauen darunter leidet.“ Statt „Immer musst Du alles weitertratschen!“
„Wenn du so etwas sagst, fühle ich mich verletzt und nicht respektiert.“ Statt „Warum kannst Du nicht mal nachdenken, bevor Du etwas sagst?!“
„Ich habe mich undeutlich ausgedrückt.“ Statt: „Das hast Du nicht richtig verstanden!“
„Ich bin besorgt, weil ich bemerkt habe, dass Du für die Tour länger brauchst als geplant.“ Statt: „Du brauchst für die Tour immer viel länger als alle anderen!“

Ich-Botschaften richtig anwenden

Um Ich-Botschaften richtig zu nutzen, kann die folgende Struktur helfen:
Gefühl benennen: Was fühle ich?
Situation beschreiben: Was ist passiert, dass dieses Gefühl ausgelöst hat?
Auswirkung erklären: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Situation?
Wunsch äußern: Was erwarte ich oder wünsche ich mir?

Beispiel:

„Ich bin sauer (Gefühl), weil mir die Urlaubswünsche nicht rechtzeitig vorliegen (Situation). So kann ich schwer planen (Auswirkung). Ich wünsche mir, dass die Urlaubswünsche bis zum besprochenen Termin vorliegen (Wunsch).“

Übrigens: Das Thema „Ich-Botschaft“ finden Sie auch in dem Beitrag „Was tun, wenn die Mitarbeiterin unangenehm riecht?“
 
Praxisbeispiel für ein Führungsgespräch
 
Stellen Sie sich vor, eine Pflegedienstleitung hat festgestellt, dass ein Mitarbeiter oft länger für die Tour braucht als geplant. Ein Gespräch könnte sich so anhören:

Mit Du-Botschaften:

„Sie brauchen für die Tour immer zu lange. Das geht so nicht weiter!“

Mit Ich-Botschaften:

„Ich bin ratlos (Gefühl), weil ich bemerkt habe, dass Sie für die Tour länger brauchen als geplant. (Situation) Das beeinträchtigt den Ablauf im Team (Auswirkung). Ich möchte, dass wir darüber sprechen und eine Lösung finden (Wunsch).“
 
   

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Warum fällt es Leitungskräften oft schwer, ihre Gefühle auszusprechen?
 
In meinen Veranstaltungen zu Konflikten erlebe ich immer wieder, dass sich Leitungskräfte schwertun, eine Ich-Botschaft zu formulieren.

Hier sind drei der häufigsten Hinderungsgründe:
 
1.Gewohnheit und Traditionelle Kommunikationsmuster:
Du-Botschaften sind oft tief verwurzelt und werden unbewusst verwendet. Viele Pflegedienstleitungen wurden in einem Umfeld sozialisiert, in dem Autorität und Distanz als Stärke galten.

2.Angst vor Schwäche und Kontrollverlust:
Ich-Botschaften erfordern das Benennen eigener Gefühle und Bedürfnisse, was als Zeichen von Schwäche oder Unsicherheit missverstanden werden kann. Leitungskräfte befürchten dadurch an Autorität zu verlieren.

3.Zeitdruck und Stress:
In stressigen Situationen greifen Führungskräfte oft auf schnelle und direkte Kommunikation zurück, die in Form von Du-Botschaften erfolgt. Der Druck, schnelle Entscheidungen zu treffen, lässt wenig Raum für reflektierte Ich-Botschaften.
 
Warum sind Ich-Botschaften so wirkungsvoll?
 
Trotz der Hinderungsgründe empfehle ich jeder Leitungskraft in der ambulanten Pflege ihr Kommunikationsverhalten einmal auf den Prüfstand zu stellen. Meistens reden wir ja unbewusst, ohne groß darüber nachzudenken, wie unsere Worte wirken könnten. Die Vorteile mehr Ich-Botschaften zu verwenden, liegen auf der Hand:

Tragfähigere Beziehungen: Durch Ich-Botschaften wird eine offene und ehrliche Kommunikation gefördert, was zur besseren Zusammenarbeit führt. Die Mitarbeitenden können besser verstehen, was in Ihnen vorgeht und fühlen sich eher auf Augenhöhe.

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit: Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Gefühl haben, ernst genommen zu werden, steigt ihre Zufriedenheit und Motivation.

Konstruktive Konfliktlösung: Ich-Botschaften helfen dabei, Konflikte konstruktiv anzugehen und Lösungen zu finden.

Klärung von Erwartungen: Durch die klare Formulierung eigener Bedürfnisse und Erwartungen werden Missverständnisse vermieden.

Weniger Abwehr: Da die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ausgesprochen werden, fühlt sich der Gesprächspartner weniger angegriffen und ist offener dafür, gemeinsam Lösungen zu finden und sein Verhalten zu verändern.

Fazit:

Ich-Botschaften sind ein einfaches, aber wirkungsvolles Werkzeug, um eine positive Gesprächskultur in Ihrem Team zu fördern. Indem Sie Ihre Gefühle und Bedürfnisse offen kommunizieren, können Sie vermeiden, dass Konflikte eskalieren, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit stärken und Verhaltensänderungen bei Ihren Mitarbeitenden bewirken.

Tipp:

Trauen Sie sich, Ihre Gefühle und Bedürfnisse auszusprechen. Üben Sie das Formulieren von Ich-Botschaften in verschiedenen Situationen. Je öfter Sie es tun, desto leichter fällt es Ihnen.

Ich hoffe, auch mein heutiger Führungsimpuls hat Ihnen gefallen. Schreiben Sie mir gerne, welche Erfahrungen Sie bei der Umsetzung gemacht haben. Haben Sie konkrete Führungsthemen, die ich in einer der nächsten Folgen für Sie aufbereiten soll? Sehr gerne! Schreiben Sie mir unter fuehrungsimpulse@ppm-online.org. Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße,
Ihre Claudia Henrichs

PS: Sie haben unsere ersten Folgen verpasst? Kein Problem auf www.pdl-konkret.de/Fuehrungsimpulse finden Sie alle bislang erschienenen Folgen von „Führungsimpulse“ zum Nachlesen und Nachhören.

PPS: Dieses Zitat zum heutigen Thema habe ich für Sie mitgebracht:
Zitat der Woche
„Führungskräfte, die ihre eigenen Gefühle verbergen, können nicht erwarten, dass Mitarbeiter offen und ehrlich mit ihnen kommunizieren!“

(Angeblich) Platon, antiker griechischer Philosophen